BrancheCannabisMedizinMedizinisches CannabisSchmerzlinderung, Make-up und Kifferwurst: Das Cannabis-Geschäft gedeiht

8. Oktober 2019

Das nächste große Ding in der Pharma-Industrie ist Cannabis. Bis zum Jahr 2028 soll der Markt in Deutschland auf 7,7 Milliarden Euro ansteigen – doch der Wirkstoff und seine Werbung müssen sich noch bewähren.

Text: Irmela Schwab

8. Oktober 2019

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Sie heißen Sativex, Canemes und Marinol. In den Medikamenten steckt die Pflanze mit den leuchtend-grün gezackten Blättern: Seitdem im März 2017 der pharmazeutische Handel mit Hanf in Deutschland legal ist, blüht das Geschäft mit verschreibungspflichtigen und freiverkäuflichen Cannabis-Heilmitteln. Die Beratungsfirma Prohibition schätzt den Markt auf 55 Milliarden Euro bis zum Jahr 2028 in Europa, davon sollen es in Deutschland 7,7 Milliarden Euro sein.

Der Trend hat viel Bewegung in den Markt gebracht. Neue Unternehmer gesellen sich zu etablierten Pharmakonzernen und wollen mitverdienen. Finn Hänsel zum Beispiel: Der einstige Mitgründer und Geschäftsführer von Rocket Internet Australien hat die Firma Sanity Group gegründet. Dafür hat er einen einstelligen Millionen-Euro-Betrag von Investoren eingesammelt. Sein Geschäftsmodell: Ab Dezember will er medizinisches Cannabis importieren und an hiesige Apotheken verkaufen.

Neue Player am Markt

Dass Cannabis im Bereich der Schmerzmittel großes Potenzial hat, glaubt auch Clemens Fischer. Der Pharma-Hersteller hat dazu in Gräfelfing das Unternehmen Vertanical gegründet. Um die Präparate langfristig im Markt zu verankern, will über eine medizinische Studie beweisen, dass die Pflanze sich positiv auf bestimmte Krankheitsbilder auswirkt. In Dänemark pflanzt der OTC-Hersteller seit vergangenen Sommer Medizinalhanf auf einer ehemaligen Rosen-Plantage an und beliefert Unternehmen und Apotheken. Oder Dermapharm: Dazu hat das Pharma-Unternehmen sich an verschiedenen Gesellschaften unter dem Namen Fyta mit Sitz im niederländischen Waalwijk und den deutschen Ablegern mit Sitz in Monheim beteiligt, die einer Gruppe von privaten Investoren gehören. Fyta verfügt über eine eigene moderne Indoor-Produktionsanlage in Waalwijk, in der bis zu 25 Tonnen medizinisches Cannabis pro Jahr produziert werden können.

In Deutschland erfolgt der Anbau von Cannabis in den letzten Jahren in Indoor-Anlagen. Dabei werden durch die Optimierung der Wachstumsbedingungen Cannabispflanzen herangezogen, die einen höheren Ernteertrag und THC-Gehalt aufweisen als im traditionellen Freilandanbau. Dadurch steigt der Preis: In Ländern wie Spanien, Portugal, Griechenland oder Kroatien wird das Gramm für 80 Cent pro Gramm produziert, in Deutschland ist es fast viermal so viel. Experten gehen daher davon aus, dass das Cannabis künftig vor allem aus Südeuropa importiert wird.

Nicht nur im Bereich Schmerzlinderung wird Cannabis eine wundersame Wirkung zugeschrieben. Die Pflanze kann laut hanf.biz auch Prüfungsangst lindern, Schlafstörungen beseitigen und bei der Gewichtsabnahme helfen. Auch in den Supermärkten liegt die Pflanze in den Regalen – eingearbeitet in Produkte wie der Bratwurst Bruzzler Reggae von Wiesenhof oder der Geschmacksrichtung Schoko und Grass von Ritter Sport. Im Drogeriemarkt gibt es Hanf-Tees und Öle, Lotionen und Cremes sowie sogar Make-up auf Basis von Cannabidiol.

High wird niemand

Um die Produkte zu bewerben, schießen die Unternehmen häuftig übers Ziel hinaus. Auf der Bruzzler-Wurst ist ein Kiffer abgebildet, die Finger zum Peace-Zeichen gereckt. Heikel, findet das Angela Clausen, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW, im Gespräch mit Business Insider: „Mit dem Kiffer-Klischee für Hanfprodukte zu werben ist irreführend. Die beworbene Wirkung kann dadurch nicht erreicht werden, denn high wird davon niemand.“

Und wenn doch, ist es natürlich auch nicht erwünscht. Facebook hat erst jüngst seine Werberichtlinien für Hanf gelockert: Zu viele Hersteller von Hanf- und Cannabis-Produkten hatten gegen das generelle Werbeverbot rund um die grüne Pflanze protestiert. Erlaubt ist nun Werbung für äußerlich anwendbares – also topisches – Cannabis. Weil die Industrie jedoch boomt, gilt die Änderung der Richtlinien als wahrscheinlich.

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