BrancheCannabis10 Fakten über den schwierigen Markt der Cannabis-Startups

16. August 2019

10 Fakten über den schwierigen Markt der Cannabis-Startups

Überblick. Wer in Deutschland medizinisches Hanf verkaufen möchte, hat einen langen Weg vor sich. Doch lohnt sich dieser überhaupt? Ein Experte klärt auf. 16. August 2019 | Lisa Ksienrzyk

Cannabis-Startups vertreiben ihre Medikamente vor allem an Apotheken.

Seit März 2017 ist es legal, in der Bundesrepublik Medikamente mit Cannabis zu kaufen. Seitdem wagen sich immer mehr Startups auf den Markt. Der Kölner Händler Cannamedical war nach der Legalisierung einer der ersten. In den vergangenen Monaten zogen die Szeneköpfe Sebastian Diemer und Finn Hänsel mit eigenen Startups nach.

Was müssen deutsche Gründer wissen, wenn sie ebenfalls mit medizinischem Cannabis handeln wollen? Diese Frage hat Gründerszene Marcus Ewald gestellt. Er ist Krisenmanager, hat mit seinem Unternehmen Ewald & Rössing die Kölner Firma Cannamedical beraten und war Mitgründer von Diemers Farmako, bevor er als Beiratsvorsitzender zu Hänsels Sanity Group wechselte.

1. Eine Höchstmenge für den Handel mit medizinischen Cannabisprodukten gibt es in Deutschland nicht. Jedes Startup kann so viele Medikamente verkaufen, wie es zur Verfügung hat. Bislang war die Nachfrage auf Kundenseite aber größer als das Angebot der Lieferanten. Laut einer Auswertung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden in der ersten Jahreshälfte 2019 rund 2,5 Tonnen importiert, die hauptsächlich für Apotheken gedacht waren. 2018 waren es 3,1 Tonnen.

2. Um mit dem Hanfprodukt internationalen Handel treiben zu können, muss jedes Land laut einem UN-Abkommen eine eigene sogenannte Cannabisagentur haben. Die Behörde kontrolliert den Anbau, die Qualität und den Verkauf. In Deutschland beziehen Firmen ihre Produkte entweder von dem niederländischen Pendant OMC. Eine zweite Möglichkeit für Startups ist ein Vertrag mit Produzenten, die eigene Vertriebsorganisationen in Deutschland unterhalten, so wie beispielsweise der kanadische Hersteller Aurora.

3. Das OMC teil die Hanfblüten gerecht auf alle Händler auf. Im Juli und August waren das laut der niederländischen Behörde jeweils zehn Kilo Cannabis pro Firma. Danach wolle das OMC monatlich insgesamt 200 Kilo verteilen. Wie viel medizinisches Hanf von Anbauern aus anderen Ländern kommt, ist nicht bekannt.

4. Viele Länder bauen zwar medizinisches Cannabis an, besitzen nach deutschem Recht aber keine Handelslizenz, beispielsweise Israel, Australien oder Uruguay, so Ewald. Lediglich die Niederlande und Kanada zählen zu den sicheren Staaten. Wer Hanfblüten aus anderen Ländern importieren möchte, benötigt zuerst eine Einfuhrerlaubnis. Produzenten dürfen laut der UN-Konvention außerdem nur medizinisches Cannabis herstellen, also keine zusätzlichen Blüten für den nicht-medizinischen Gebrauch ernten. In Kanada wird derzeit gegen diese Regel verstoßen, da Hersteller sowohl für den medizinischen Markt als auch den Freizeitgebrauch produzieren. Die deutschen Behörden erteilen die Genehmigungen aber dennoch, da die Nachfrage in Deutschland weitaus höher ist als das Angebot. Das muss in Zukunft aber nicht so bleiben, glaubt der Berater.

Marcus Ewald ist Experte auf dem Cannabis-Markt

5. Ab 2020 können ausgewählte Unternehmen auch in Deutschland Hanf anpflanzen. In einem Losverfahren hat das BfArM Aphria Deutschland und Aurora, deutsche Ableger von zwei kanadischen Produzenten, sowie dem Berliner Startup Demecan einen Zuschlag gegeben. Die Firmen sollen jährlich gemeinsam 2,6 Tonnen Cannabis ernten.

6. Um mit dem Handel starten zu können, benötigen Startups eine Großhandelserlaubnis und eine GMP-Zertifizierung nach EU-Recht. Das EU-GDP, kurz für Good Distribution Practice, und das EU-GMP, kurz für Good Manufacturing Practice, zeigen, dass der Betrieb seine Produkte nach gewissen Richtlinien herstellt, die bei der Qualitätssicherung von Arzneimitteln von Bedeutung sind. „Üblicherweise dauert der Prozess vom Erstantrag bis zur Bewilligung zwischen neun Monaten und einem Jahr“, so Ewald.

7. Für ein Kilogramm Cannabis bekommen Startups etwa 10.000 Euro im Verkauf, sagt Ewald. Einen fixen Preis gibt es nicht, den können Händler selbst festlegen. Bei aktuell zehn Kilogramm ergibt das einen monatlichen Umsatz von etwa 100.000 Euro. „Die Margen sind ganz ordentlich. Aber wer die nicht reinvestiert, wird im Wettbewerb verlieren und ist im nächsten Jahr weg vom Fenster“, so Ewald.

8. Der Großteil der deutschen Händler vertreibt Medikamente der Marke Bedrocan der niederländischen Cannabis-Agentur, sagt Ewald. In absehbarer Zukunft wird sich die Menge von importiertem Cannabis aus den Niederlanden kaum merklich erhöhen, was es für Gründer erschwert, ihr Unternehmen zu skalieren. Um auf dem Markt erfolgreich zu sein und zu wachsen, müssen Startups aber entweder neue Partner finden oder in die Forschung investieren, um eigene Medizin zu entwickeln. Beispielsweise für Patienten, die kein THC vertragen oder Medikamente, die auf eine bestimmte Krankheit abzielen. „Erfolg hat nichts damit zu tun, ein großes Netzwerk zu haben. Hier geht es darum, darüber nachzudenken, wie man dem Gesundheitssystem eine Alternative bietet. Und dann zu liefern“, so der Krisenmanager.

9. CBD-Produkte sind im Trend, Lebensmittel mit dem Wirkstoff bewegen sich aber in einer Grauzone. Die Zutat wurde von der EU-Kommission als neuartiges Lebensmittel eingestuft, sodass deren Verarbeitung und Verkauf erst genehmigt werden muss. Bislang hat noch kein Anbieter einen Antrag gestellt, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP zeigt. Ein solches Verfahren würde mehrere Monate oder gar Jahre dauern, ähnlich wie bei der Kaffeekirsche oder Insekten. Daher weichen viele Startups aus und verkaufen ihr CBD-Öl oder Honig als Kosmetik.

10. Die Genehmigungen dauern mehrere Monate, mit jedem neuen Wettbewerber sinkt die Handelsmenge pro Unternehmen, und die Forschungen sind noch am Anfang. Lohnt sich der Einstieg in den Markt also noch? „Wenn Gründer nur die Motivation haben, in den Markt zu gehen, weil er lukrativ scheint, wird das nichts bringen“, sagt Ewald. „Startups können hier nicht mal schnell aus dem Boden gestampft werden, sondern sind eine schwierige, strategische Angelegenheit.“ Dennoch sieht er Potenzial ­– aber eben nur, wenn Startups eigene Medizin entwickeln.

Bild: Jupiterimages / Getty Images, Hinweis: Im Artikel stand, dass die Cannabisagentur auch Cannabis importiert. Das ist falsch und wurde geändert.
Quelle: www.gruenderszene.de
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