CannabisMedizinisches CannabisZu wenig medizinisches Cannabis für Patienten

19. Juni 2019

Zu wenig medizinisches Cannabis für Patienten

Seit zwei Jahren ist medizinisches Cannabis auf Rezept erhältlich. Doch die Produzenten sind auf die hohe Nachfrage offenbar nicht eingestellt – immer wieder kommt es zu Lieferengpässen. Einige Patienten versorgen sich deshalb selbst.

Unterwegs auf legalen und illegalen Cannabis-Plantagen

Seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland zugelassen. Produziert wird in Deutschland noch nicht, doch die ersten Anlagen zum Anbau sind geplant. Apotheker beklagen derzeit Lieferengpässe beim Import.

Exakt Mi 19.06. 20:15Uhr 07:37 min

Cannabis auf Rezept – das ist in Deutschland seit März 2017 möglich. Doch für die Patienten kommt es immer wieder zu Lieferengpässen. Außerdem zahlen die Kassen diese Medizin nicht immer. Auch deshalb bauen einige ihr Gras selbst an – so wie Felix. Der junge Mann aus Berlin will anonym bleiben, denn was er tut ist illegal.

In schwarzen Zelten baut Felix sein Gras an. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR-exakt zeigt er in seiner Wohnung zwei schwarze Zelte, in denen insgesamt 18 Cannabis-Pflanzen wachsen. Wärmende LED-Leuchten versorgen die Pflanzen, eine Zeitschaltuhr sorgt für den Tag-Nacht-Rhythmus, ein silbernes Rohr für frische Luft. Mit einem Aktivkohlefilter neutralisiert er die Luft, die nach draußen geblasen wird. „Alles, was Sie hier sehen, kann man grundsätzlich im Baumarkt kaufen“, sagt Felix.

Trotz Rezept: Cannabis nur auf eigene Kosten

Der Grund, warum der junge Mann diesen Aufwand betreibt: „Ich leide an ADHS„, erklärt er. „Durch Cannabis bin ich konzentrierter und weniger impulsiv. Außerdem brauche ich jetzt kein Ritalin mehr.“ Zwar hat Felix ein Privatrezept von einem Arzt für seine Medizin, doch damit kann er sich Cannabis lediglich auf eigene Kosten in der Apotheke holen. „Das kostet für mich bis zu 28 Euro pro Gramm.“ Im Eigenanbau seien es lediglich 1,60 Euro. Drei Gramm braucht er täglich. Eine Monatsration aus der Apotheke würde also über 2.500 Euro kosten.

Mit dem Rezept vom Arzt darf Felix das Apotheken-Cannabis mit sich führen und sogar Auto fahren. Sein Chef erlaubt auch, dass er bei der Arbeit raucht. Felix sagt, die gewonnene Lebensqualität sei viel größer als die Angst vor Strafverfolgung. Er ist quasi Überzeugungstäter. „Mein eigenes Gras ist qualitativ viel besser als das Apotheken-Cannabis. Außerdem gibt es dort immer wieder Lieferengpässe.“

Produzenten Ansturm nicht gewachsen

Patienten können in Apotheken nicht mehr alle Cannabis-Produkte erhalten. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Produzenten sind dem Ansturm offenbar nicht gewachsen, denn in immer mehr europäischen Ländern wird Cannabis als Medizin zugelassen. „Ich brauche eigentlich das Pedanios 22/1,“ nennt Sven Lobeda, Apotheker in Dresden-Johannstadt, ein Beispiel. Doch das ist derzeit nicht lieferbar. Die Patienten können nicht einfach auf eine andere Blütenart ausweichen, da sich die Inhaltsstoffe unterscheiden. Die Apotheke hat noch einige Sorten vorrätig, doch andere sind nicht zu bekommen.

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Bei einem anderen Anbieter ist es noch drastischer: „Hätte ich bis Februar bestellt, könnte ich ungefähr bis Mitte Juni damit rechnen. Würde ich es jetzt bestellen, dann gibt es für mich keinen Liefertermin, dann stehe ich auf einer Endlos-Warteliste“, sagt Lobeda. Für die Patienten bedeute dies eine Unterversorgung. „Wir sind gezwungen, die Patienten wieder zurückzutreiben zum Dealer um die Ecke.“

Importe können das Problem offenbar nicht lösen

Auch Importe können das Problem derzeit offenbar nicht lösen. Zwar hat die Bundesregierung im März 2017 die Einfuhr von 42,8 Tonnen medizinischem Cannabis genehmigt, doch für die direkte Versorgung der Patienten sind erst rund fünf Tonnen Cannabisblüten importiert worden, wie aus einer kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht (stand Ende März 2019).

Rund 40.000 Cannabis-Patienten soll es in Deutschland geben. Die Probleme bei der Lieferung sollen in Zukunft Großproduzenten lösen – wie etwa Aurora. Das kanadische Unternehmen baut auf der Insel Fünen in Dänemark in Kooperation mit einem lokalen Gemüseproduzenten Cannabis an. MDR-exakt durfte einen exklusiven Blick in die Gewächshäuser werfen.

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Drei Unternehmen dürfen Cannabis in Deutschland anbauen

Mit Großproduktionen wie in Fünen sollen Lieferengpässe bald Geschichte sein. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dort sind die Pflanzen verkabelt. „Das sind Nährstofflösungen, die die Pflanzen dann aufnehmen, um dann entsprechend wachsen zu können“, sagt Geschäftsführer Philip Schetter. Damit werden in einem Raum die Mutterpflanzen versorgt. Alle Mitarbeiter tragen Schutzanzüge. Denn es handelt sich um ein Pharmazieprodukt. „Und aus dem Grund dürfen logischerweise keine Bakterien in die Anlage.“

Mit Großproduktionen wie in Fünen sollen Lieferengpässe bald Geschichte sein. Der kanadische Cannabis-Riese gehört zu den drei Unternehmen, die nun auch in Deutschland anbauen dürfen. Vor wenigen Wochen gab es den Zuschlag. Mehrere Millionen Euro will man im sachsen-anhaltischen Leuna investieren.

„Dort gab es ganz spezielle Sicherheitsvorkehrungen, und dort bauen wir im Prinzip einen großen Bunker“, erklärt Schetter. „In dem Bunker wird Cannabis angebaut, so dass wir da höchste Sicherheitsvorkehrungen treffen.“ Die Patienten müssen sich wohl noch ein Jahr gedulden, bis sich die Lage entspannt. Dann wollen alle Unternehmen die erste Ernte „Made in Germany“ einfahren.

Wer darf medizinisches Cannabis in Deutschland anbauen Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in einem Vergabeverfahren den Anbau von Cannabis – unter betäubungs- und arzneimittelrechtlichen – Vorgaben an drei Firmen verteilt. Die Ausschreibung umfasste insgesamt 10.400 kg Cannabis, verteilt auf vier Jahre mit jeweils 2.600 kg, erklärt das BfArM. Den Zuschlag bekamen zwei Unternehmen, deren Mutterfirmen schon medizinisches Cannabis in Kanada produzieren – die Aurora Produktions GmbH und die Aphria Deutschland GmbH, sowie das 2017 gegründete deutsche Start-up-Unternehmen DEMECAN GmbH. Das BfArM erwartet eine erste Ernte für das 4. Quartal 2020.

> Lieferengpässe bei medizinischem Cannabis in Deutschland | Manuskript Download

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | exakt | 19. Juni 2019 | 20:15 Uhr

Quelle: www.mdr.de

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